„Geduld tut euch not!“ – dieser Satz aus der Bibel (Hebräer 10, 36) kommt mir in den Sinn, wenn ich an die aktuelle Situation denke. Seit über einem halben Jahr hat dieses Virus unser aller Leben ziemlich verändert. Da gab es zu Anfang noch die Hoffnung, diese Krise bald überstanden zu haben. Jetzt zeigt sich doch mehr und mehr: So schnell wird das nicht gehen.

„Nach-Corona“ wird es nicht geben. Das Virus bleibt, und wir werden lernen müssen, damit zu leben. Zehntausende Menschen demonstrieren gegen die verordneten Maßnahmen. Sie sind mit ihrer Geduld am Ende. Sie erklären die Pandemie für beendet. Als würde sich das Virus daran halten. Gleichzeitig zeigt sich überall auf unserem Globus und auch in unserem Land: Wenn Menschen unvorsichtig werden, steigen die Infektionszahlen schnell wieder an.

Eine Erlösung von dem Virus scheint es nicht zu geben. Selbst Antikörper verschwinden wohl nach einigen Monaten wieder. Was die noch gar nicht zur Verfügung stehenden Impfungen langfristig bewirken, kann noch niemand wirklich sagen. Ein Heilmittel ist auch noch nicht in Sicht.

Das Problem: Wir sind nicht auf „Dauer-Krise“ eingerichtet. Eine Krise als kurzfristige Übergangszeit – das mag man ja noch verkraften. Aber auf Dauer – ohne dass ein Ende in Sicht ist. Wer schafft das schon? „Geduld tut euch not!“

Nun: Mit anderen Viren leben wir auch. Der eine lässt sich gegen Grippe impfen. Der andere geht das Risiko ein. Auch mit anderen Risiken leben wir in unserem Alltag. Wir haben es gelernt, das einzuschätzen und damit umzugehen. Wir werden es jetzt mit diesem Virus auch lernen müssen.

„Geduld tut euch not!“ – dieser Satz im Hebräerbrief bezieht sich natürlich nicht auf den Umgang mit einer Virusbedrohung. Aber er bezieht sich auf eine ganz andere Dauerkrise, mit der wir Menschen leben. Es geht um die Sünde, die uns ständig umstrickt (Hebräer 12,1). Und deren Bedrohung wir noch lange nicht hinter uns gelassen haben. Es geht um die Loslösung des Menschen von Gott. Die eigenmächtige Emanzipation des Geschöpfs von seinem Schöpfer. Und damit die Trennung von der Quelle des Lebens. Es geht um die menschliche Überheblichkeit, die meint alles im Griff zu haben – und damit gottgleich zu sein. Der Umgang mit dieser Dauerkrise gelingt nur im Vertrauen auf Gott, in der Orientierung an Jesus Christus. Und auch hier ist Geduld gefragt.

Im Neuen Testament gehört Geduld zu den Dingen, die Gott in Menschen bewirkt. Wir werden diese Geduld auch in der Corona-Krise brauchen. Denn nur durch Geduld werden wir mit Augenmaß und Verantwortung neue Wege gehen können. Wir sind herausgefordert neue Formen finden – für Gemeinschaft, für Begegnung, auch für Gottesdienst und Gotteslob.

Sich ins Schneckenhaus zu verkriechen hilft genauso wenig weiter wie blauäugige Ignoranz der Gefahr. Erinnern wir uns an die Verheißung, die der Schreiber des Hebräerbriefes mit der Geduld verbindet: „Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“ Dann werden wir aufeinander Acht haben und einander zur Liebe ermutigen.

Pastor Harald Kufner

(Andacht vom 05.08.2020 auf unserem YouTube-Kanal und auf der Homepage der Gemeinde) https://www.youtube.com/watch?

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