Was hält uns zusammen?

Ich schreibe diesen Artikel, kurz nachdem die Information der Gemeindebriefredaktion ankam: „Gemeindebrief ist überfüllt! – Keine weiteren Artikel mehr!“ Ich schreibe trotzdem, denn das „Nachgedacht“ ist ja schon mit eingeplant.

Unser Gemeindebrief ist allerdings ein Abbild unseres vielfältigen und reichen Gemeindelebens. Viele Menschen engagieren sich! Viele Ideen werden eingebracht und umgesetzt. Da gibt es dann auch vieles zu berichten.

Zu dieser Vielfalt gehört nicht nur eine Vielzahl von Gruppen, Veranstaltungen und Aktionen, sondern auch eine große Spannbreite an Frömmigkeitsstilen, Lehrmeinungen, Geschmäckern und Traditionen. Doch was hält uns zusammen?

Eine gewisse Offenheit und ein relativ großer Weitblick gehörten von Anfang an zur Geschichte unserer Gemeinde. In einer Gesellschaft, die immer vielfältiger und individualistischer wird, bleibt es aber eine ständige Herausforderung, sich nicht in Profillosigkeit zu verheddern.

Oft gibt es in christlichen Gemeinden eindeutige Vorgaben in ethischen und anderen Lehrfragen. Mancher wünscht sich das auch. Aber der Gedanke des „allgemeinen Priestertums“ (1. Petrus 2,5) verträgt sich nicht wirklich mit einer streng hierarchisch gegliederten Kirche, in der „von oben herab“ gesagt wird, was falsch und was richtig ist. Das allgemeine Priestertum und die neutestamentliche Aussage, dass der Geist Gottes in jeder Jüngerin und jedem Jünger Jesu wohnt, entlässt uns nicht aus der Aufgabe, dass jeder in seiner Verantwortung vor Gott seine Meinung bilden und immer wieder auch prüfen sollte.

Manchmal scheint es so, dass Zielgruppen- oder „Richtungsgemeinden“ mit nur einem kulturellen Stil „erfolgreicher“ sind. Gemeindeneugründungen müssen wohl auch so sein. Aber eine Einstellung wie: „Wenn es Dir bei uns nicht gefällt, dann geh‘ halt woanders hin“ ist zwar menschlich verständlich. Sie verhindert vielleicht auch den einen oder anderen Konflikt. Neutestamentlich ist das nicht! Am Beispiel der Gemeinde in Korinth lässt sich das gut nachvollziehen. Diese Gemeinde war in mehrere Gruppen unterteilt. Das führte zu großen Spannungen und eine Spaltung lag in der Luft. Paulus gab aber nicht als Lösung aus: „Gründet doch mehrere Gemeinden, dann seid ihr diesen Stress los!“ Er fragte vielmehr: „Ist denn Christus zerteilt?“ (1. Korinther 1,13)

So wandelt sich die Frage „Was hält uns zusammen?“ in die Frage „Wer hält uns zusammen?“ – Und die Antwort kann für eine christliche Gemeinde nur heißen: Christus! Wenn das nicht gilt oder von anderem überlagert wird, dann hat eine Gemeinde aufgegeben, Gemeinde Jesu Christi sein zu wollen.

Ob allerdings unser Zusammenhalt als Gemeinde in Christus auch all die Unterschiedlichkeiten unter uns aushält? Da sind mit Sicherheit unterschiedliche politische Einstellungen, die unter uns leben: von AFD-nah (was für manchen als Christ wiederum gar nicht geht) bis zu den Grünen oder gar den Linken (was für manchen wiederum auch gar nicht geht). Da sind überzeugte Veganer oder Vegetarier und solche, die gerne ein Stück Fleisch (oder auch zwei) essen. Da sind überzeugte Klimaschützer und solche, denen das nun gerade nicht das brennendste Thema scheint.

Auch in ethischen Fragen gibt es mit Sicherheit eine große Spannbreite in unserer Mitte: Beim Thema Ehescheidung und Wiederheirat, beim Thema Sex vor der Ehe und wann überhaupt der richtige Zeitpunkt für eine Heirat ist, oder auch beim Thema Homosexualität werden die Meinungen weit auseinander gehen. Ebensolche Vielfalt wird es auch in der Frage geben, wie wir verantwortlich mit unserem materiellen Wohlstand umgehen. Dasselbe vielfältige Bild wird sich zeigen, wenn wir unser Verständnis der Bibel in den Blick nehmen.

Vielleicht können wir manchmal nur gut damit leben, weil wir diese Themen möglichst umgehen und gar nicht darüber sprechen. Eine wirkliche Lösung ist das nicht.

Ob wir es aushalten, dass Menschen, die Jesus als ihren gemeinsamen Herrn haben, in solchen Fragen dennoch zu unterschiedlichen Erkenntnissen kommen?

Auch in der Kirchengeschichte tauchte immer wieder diese Frage auf: Was gehört unbedingt zum Glauben an Jesus? Was gehört wesensmäßig so sehr dazu, dass dort, wo es aufgegeben wird, der Glaube in Gefahr steht. Dann wurde der sog. „Status Confessionis“ ausgerufen (z.B. in der Reformation oder in der Bekennenden Kirche im sog. Dritten Reich). Dieser Status meint „die Unterscheidung zwischen solchen Angelegenheiten, die eine klare Entscheidung erfordern, weil sie das Wesen des Evangeliums und das Sein der Kirche selbst betreffen, und anderen Angelegenheiten, in denen eine Pluralität von Meinungen möglich ist. Es gibt Fragen, in denen ein Standpunkt bezogen werden muss, d.h. in denen es nicht die Möglichkeit gibt, sich neutral zu verhalten, sich rauszuhalten.“ (Institut für Theologie und Politik, Münster, www.itpol.de/?p=244;).

In den meisten Fragen, die uns oft so wichtig erscheinen, werden wir zugeben müssen, dass sie nicht so entscheidend sind, wie wir oft meinen. Wir sollten ihnen nicht so viel Gewicht beimessen.

Paulus schreibt in 1. Korinther 2,2 (LÜ): 
„Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.“ In 1. Korinther 15,24 (LÜ): „Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.“ 

Das also ist Kern des Glaubens: Jesus Christus – (für uns) gestorben und auferstanden.

Und dann: „Herr ist Jesus“ – und damit sind alle anderen evtl. „Herren“ ihrer Herrschaft beraubt.

Und: Diese Welt und jeder Mensch ist von Gott geschaffen (1. Mose 1) und geliebt (Johannes 3,16) – auch das gehört zum unaufgebbaren Kern des Glaubens.

In dieser Wertschätzung mit jedem Menschen umzugehen und die Herrschaft Jesu über unser ganzes Leben mit allen Wegen und Entscheidungen zu leben – das bleibt Aufgabe genug!

Wenn wir in Kürze Karfreitag und Ostern feiern, dann feiern wir den Kern unseres Glaubens. Wie gut, wenn wir uns dessen wieder neu vergewissern, was uns wirklich miteinander verbindet: Jesus Christus, der Herr unserer Gemeinde.

Harald Kufner

Pastor

 

 

 

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