Was ist deine Sicht?
Die großen Sommerferien sind jetzt endlich da. Das Homeschooling hat vorerst ein Ende, viele erhoffen sich ein wenig Erholung und Ruhe und der lang ersehnte Urlaub ist zum Greifen nahe.
Die letzten Wochen und Monate hatten viele Menschen vor große Herausforderungen, Umbrüche und Probleme gestellt. Der ein oder andere war vielleicht auch der Verzweiflung nahe und man hat sich gedacht: Wie werde ich es nur durch diese Zeit schaffen?
Ich weiß nicht wie es weiter gehen soll.

Wie kann man durch eine Situation kommen, die scheinbar nicht kontrollierbar ist? Auf diese Frage wollen wir einen kurzen Blick werfen. Wir beginnen am nächsten Sonntag eine kurze Sommerpredigtreihe und wir wollen uns gemeinsam den Jakobusbrief anschauen. Auch diese Mittwochsandachten werden sich mit dem Jakobusbrief beschäftigen, und ich möchte euch einladen, diesen Brief mal durchzulesen. Es ist ein fantastischer Brief und wir werden in den nächsten Wochen ein wenig in die Welt des Jakobus eintauchen.

Wie geht man mit einer Situation um, die scheinbar nicht kontrollierbar ist? Diese Frage ist nicht nur für uns heute wichtig, sondern sie war es auch für die Menschen im 1. Jahrhundert nach Christus. Und genau mit dieser Frage beginnt der Jakobusbrief. Wir können lesen: „Jakobus, Diener Gottes und des Herrn Jesus Christus, an die 12 Stämme, die in der Fremde leben. Euch sende ich meinen Gruß.“ Diese Einleitung gibt uns einen kleinen Hinweis über die Situation, in der Jakobus lebte. Jakobus schreibt an eine Kirche, die weit zerstreut war. Eine Kirche, die sich fragte: Wo ist Gott? Warum lässt er es zu? Wie sollen wir durch diese Situation kommen?

In genau dieser Situation sagt er folgende Worte: „Erachtet es als einen ganz besonderen Grund zur Freude, meine Geschwister, wenn ihr Prüfungen verschiedenster Art durchmachen müsst.“ (Jak.1,2) Nun, ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Satz die Menschen damals sehr irritiert hat. Ich mein, wir können uns mal vorstellen, diesen Satz zu jemanden zu sagen, der gerade durch eine schwierige Zeit geht. Man schaut ihn an und sagt: „Oh, meine Güte. Du solltest so froh sein, dass du gerade diese Schwierigkeiten hast.“ Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist.

Jakobus sagt hier nicht: „Falls ihr mal in Schwierigkeiten geratet“, sondern er sagt: „Wenn, wenn ihr Prüfungen durchmachen müsst.“ Mit anderen Worten: Schwierigkeiten werden kommen, Probleme werden kommen, Krankheiten werden kommen – egal ob man es mag oder nicht – und Jakobus hatte es selbst erlebt. Er war ein Bruder von Jesus und wuchs in Armut auf. Er war einer von wahrscheinlich sieben Kindern. Viele Gelehrte glauben, dass sein Vater, Josef, sehr früh starb und Maria eine alleinerziehende Mutter war. Das bedeutete damals Armut, kein Geld, viel Not und große Sorgen. Wie sollen wir nur durch diese Situation kommen? Jakobus kannte diese Fragen.
 Nun, ich denke, ein Schlüsselwort in diesem Vers ist das Wort „erachten“. Jakobus sagt: „Ich möchte euch einen neuen Bezugsrahmen geben, eine neue Sichtweise, die ihr einnehmen könnt, wenn ihr in Schwierigkeiten geratet. Es geht weniger darum, was ihr in Schwierigkeiten fühlt, sondern viel mehr wie ihr diese interpretiert – als was ihr sie erachtet. Warum? Weil deine Sichtweise bestimmt, wie man auf Nöte oder Situationen reagiert.

Ich möchte dazu ein kleines Beispiel geben. Nehmen wir mal an die Eintracht Frankfurt bestreitet ein wichtiges Spiel gegen Borussia Dortmund und gewinnt. Jemand der ein Anhänger von Frankfurt ist, schaut sich dieses Spiel an und wird sich freuen. Warum? Weil er das Spiel als etwas Tolles interpretiert und das führt dazu, dass er sich freut. Wenn man aber in der Nähe von Dortmund aufgewachsen ist – so wie ich, und eher mit der Borussia Dortmund sympathisiert, dann schaue ich mir dasselbe Spiel an, aber es wird keine Freude bei mir auslösen. Warum? Weil ich das Spiel anderes interpretiere. Es ist das gleiche Spiel, aber unterschiedliche Reaktionen.

Genauso kann es uns mit schwierigen Umständen ergehen. Leid bleibt immer Leid und ist immer schmerzhaft, aber Jakobus sagt: es ist eine Frage wie ihr es erachtet – wie ihr es interpretiert. Ich kann das Leid sehen, den Schmerz fühlen und es kann mich hoffnungslos machen. Oder ich kann das Leid sehen und erkennen, dass es mir hilft in meinem Glauben Standhaftigkeit zu lernen, mehr Gott zu vertrauen, mehr im Glauben zu wachsen und das führt zur Freude. Jakobus sagt genau das, er schreibt: „Wenn euer Glaube erprobt wird und sich bewährt, bringt das Standhaftigkeit hervor. Und durch die Standhaftigkeit soll das Gute, das in eurem Leben begonnen hat, zur Vollendung kommen.“ Das ist eine neue Sichtweise, das ist eine neue Interpretation. Und wir dürfen das üben – vielleicht gerade jetzt in der Coronakrise, in der Ehekrise, in der finanziellen Krise. Wir dürfen Gott bitten, dass er unsere Sichtweise, unsere Perspektive, unsere Interpretation verändert und wir durch diese Krisen wachsen können.

Wenn wir den Jakobusbrief lesen, können wir dieses wichtige Muster entdecken. Man redet auch von dem Gesetz der Umkehrung. Jakobus sagt: im Leid gibt es Freude, in der Armut gibt es Reichtum – im Königreich Gottes werden diese Dinge umgedreht. Und genau damit – mit dem Gesetz der Umkehrung – wollen wir uns in der Predigt am Sonntag beschäftigen.

Björn Letschert

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